Wahlen 2024: Belgier stimmen über sechs Parlamente ab – Probleme könnte es bei der Regierungsbildung geben
Am 9. Juni 2024 werden die Belgier in den Wahllokalen eine ganze Reihe von Entscheidungen zu treffen haben. Sie müssen nicht nur die belgischen Mitglieder des Europäischen Parlaments wählen, sondern auch über die Zusammensetzung von sechs nationalen und regionalen Parlamenten entscheiden. Die große Frage ist, ob Belgien seinen eigenen Weltrekord für eine regierungslose Zeit brechen wird - der liegt seit den Wahlen 2010 bei 541 Tagen.
Wie überall auf der Welt hat die belgische Demokratie derzeit einen schweren Stand. Die Politiker sind nicht in der Lage, wichtige Entscheidungen zu treffen und die Wähler von der Notwendigkeit dieser Entscheidungen zu überzeugen. Was es in Belgien besonders schwierig macht, ist die Vielzahl der politischen Parteien: Christdemokraten, Liberale, Sozialisten, Grüne, Nationalisten, Linksextreme, Rechtsextreme ... Belgien hat sie alle. Außerdem gibt es für fast jede Partei eine Partei in der nördlichen, niederländischsprachigen Hälfte des Landes, und eine entsprechende Partei für den südlichen, französischsprachigen Teil.
Gegenwärtig zählt die föderale Regierung sieben Koalitionspartner, während die flämische Regionalregierung deren drei hat. Es ist jetzt schon schwer genug, Kompromisse zu schließen und sicherzustellen, dass alle Partner einverstanden sind. Künftig wird es nicht einfacher, denn die Zersplitterung der politischen Landschaft geht weiter: Die einst großen Parteien werden kleiner, während die kleinen Parteien wachsen.
Bei so vielen eher kleinen Parteien ist es besonders schwierig, Mehrheiten von mindestens 50 Prozent in den Parlamenten zu finden. Dies gilt umso mehr, als extremistische Parteien immer mehr Zuspruch finden. In Flandern ist der rechtsextreme Vlaams Belang laut Umfragen inzwischen die stärkste Partei. Auf frankofoner Seite wird die kommunistische PTB zweit- oder drittstärkste Kraft werden. Die PTB gewinnt auch in Flandern an Zustimmung, dort nennt sie sich PVDA.
Alle anderen Parteien weigern sich – zumindest bislang - eine Regierung mit diesen beiden extremistischen Parteien zu bilden. Die Politik der extremen Linken und der extremen Rechten sei mit deren Grundprinzipien unvereinbar, sagen sie. Das bedeutet, dass diese Parteien eine Mehrheit unter denjenigen politischen Formationen finden müssen, die nach dem Ausschluss der extremen Linken und der extremen Rechten übrigbleiben.
Komplexität
Neben der föderalen Ebene gibt es in Belgien noch drei Regionen und drei Gemeinschaften. Zusätzlich zu den sechs Parlamenten, für die Wahlen abgehalten werden, gibt es eine Reihe weiterer Entscheidungsgremien, die sich aus Politikern zusammensetzen, die für die sechs Parlamente gewählt wurden.
Die Zuständigkeiten sind auf all diese verschiedenen politischen Strukturen verteilt. Dies macht eine Zusammenarbeit aller Regierungen erforderlich. Die gegenseitigen Abhängigkeiten sind zahlreich. Da sich die verschiedenen Regierungen aus unterschiedlichen Koalitionen zusammensetzen, ist die Zusammenarbeit oft sehr schwierig.
Die lokale Ebene gewinnt an Zuspruch
Die Schwierigkeit, Politik auf nationaler und regionaler Ebene zu machen, gibt vielen Politikern ein Gefühl der Ohnmacht. Sie bemühen sich oft jahrelang, ohne am Ende etwas vorzuweisen zu haben. Deshalb entscheiden sich mittlerweile viele Politiker, die nationale Ebene zu verlassen und sich der Kommunalpolitik zuzuwenden. Bereits jetzt arbeiten alle Parteien an ihren Kandidatenlisten für die verschiedenen Wahlen im Juni 2024. Mehrere bekannte Politiker haben jedoch bereits ihren Rückzug aus der „großen“ Politik verkündet. Sie treten lieber bei den Kommunalwahlen am 13. Oktober 2024 an, bei denen die Gemeinde- und Provinzräte gewählt werden. Auf dieser Ebene ist es weniger kompliziert, politische Ideen umzusetzen. Zumindest hoffen sie das.
#FlandersNewsService | ©BELGA PHOTO HATIM KAGHAT