Wahlen 2024: Belgische Wähler bereiten sich darauf vor, in diesem Jahr mehrmals zur Wahlurne zu schreiten
Wahlen sind das Hochamt der Demokratie, sagt ein flämisches Sprichwort. Die Belgier werden in diesem Jahr oft in die Kirche gehen müssen: zu Europa-, National-, Regional-, Provinz-, Kommunal- und sogar Sozialwahlen.
Ja, die Belgier müssen zu den Wahlen gehen. Eigentlich ist die Stimmabgabe nicht verpflichtend, aber die Wähler müssen sich im Wahllokal einfinden. Es gibt jedoch Ausnahmen. Wer zwischen 16 und 18 Jahre alt ist, kann an den Europawahlen teilnehmen, muss es aber nicht. Nicht-belgische EU-Bürger können an den EU-Wahlen teilnehmen, wenn sie registriert sind, und nicht-belgische Bürger, ob EU-Bürger oder nicht, können an den Kommunalwahlen teilnehmen, wenn sie registriert sind.
Am 9. Juni erhalten die Wähler gleich mehrere Wahlzettel: für die Europawahl, die föderalen Wahlen und die Regionalwahlen.
Die Europawahl ist einfach: In Belgien werden 22 Abgeordnete in das Europäische Parlament gewählt, einer mehr als im derzeitigen EP.
Bei den föderalen Wahlen müssen nur die Mitglieder der Kammer gewählt werden. Belgien hat auch einen Senat, der aber als Institution weitgehend bedeutungslos ist. Die Senatoren entstammen anderen gewählten Parlamenten.
Dezentralisiert
Die föderale Ebene ist für den Rest der Welt am sichtbarsten, hat aber in den letzten Jahrzehnten aufgrund mehrerer Staatsreformen einen Großteil ihrer Zuständigkeiten (und Finanzen) verloren. Was auf der föderalen Ebene verbleibt, sind u.a. die Soziale Sicherheit und der größte Teil der Staatsverschuldung.
Auf regionaler Ebene ist die Situation komplizierter. Belgien hat zwei dezentralisierte Ebenen: die Gemeinschaften und die Regionen. Die Gemeinschaften haben Zuständigkeiten, die direkt mit den Menschen zusammenhängen (Bildung, Kultur, Pflege), während die Regionen Befugnisse haben, die mit dem Territorium zu tun haben (Wirtschaft, Infrastruktur). In der Theorie ist dieses Prinzip einfach, in der Praxis führt es allerdings zu sehr komplexen Situationen.
Ein Beispiel: Die jüngste Covid-Pandemie wurde in Belgien von neun Gesundheitsministern behandelt, von denen jeder einer anderen Regierung angehörte. In dieser Zeit haben es die Regierungen geschafft gut zusammenarbeiten. Das ist jedoch alles andere als einfach. Alle belgischen Regierungen bestehen aus Koalitionen mehrerer Parteien, und diese Koalitionen sind zur Zeit in jeder Regierung unterschiedlich, d. h. asymmetrisch.
In der belgischen Verfassung gibt es auch keine Hierarchie zwischen den Regierungen - die föderale Regierung steht also nicht über den regionalen Regierungen. Dafür es gibt einen Konzertierungsausschuss, in dem die Regierungen verhandeln und ihre Differenzen lösen können. In der Realität gehen die Regierungen oft getrennte Wege, ohne den Willen zur Zusammenarbeit.
Gemeinden
Am 13. Oktober müssen die Bürger erneut zu den Wahlurnen schreiten. Diesmal auf lokaler Ebene: nämlich für die Provinzen und Gemeinden. Die Provinzen sind, ähnlich wie der Senat, ein Relikt aus der Vergangenheit und durch die sechs Etappen der Staatsreformen weitgehend überflüssig geworden.
In Belgien gibt es 581 Gemeinden. Die meisten Experten sind sich einig, dass dies zu viele sind, um gute Dienstleistungen für die Bürger zu erbringen. Die Bürger sind jedoch in der Regel gegen Gemeindefusionen, weil sie sich stark mit ihrer lokalen Ebene identifizieren. Die flämische Regierung hat den Gemeinden im Fall einer Fusion große finanzielle Vorteile angeboten. Trotzdem wird die Zahl der Gemeinden nach diesem Jahr nur geringfügig sinken.
Viele Politiker ziehen mittlerweile ein lokales Mandat einem nationalen oder regionalen vor. Die nationale Politik wird als undankbarer Job angesehen, bei dem man viel harte Arbeit leisten muss, um dann doch bei jeder Gelegenheit kritisiert zu werden. Die Politik auf lokaler Ebene wird als entspannter und lohnender empfunden.
Unternehmen
Bleiben noch die Sozialwahlen. Diese finden in großen Unternehmen statt, um die Gewerkschaftsmitglieder zu bestimmen, die mit dem Arbeitgeber über soziale Fragen verhandeln.Obwohl es sich um Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern handelt, gibt es einen gewissen politischen Einfluss. Die Gewerkschaften versuchen, in den Monaten vor den Sozialwahlen an Profil zu gewinnen. Dabei nehmen die Spannungen auch auf politischer Ebene zu: Sie werben in der Tat für die Unterstützung der politischen Parteien, mit denen sie verbunden sind: sozialistisch, liberal, christdemokratisch.
#FlandersNewsService | @BELGA PHOTO HATIM KAGHAT